Wenn der Arbeitgeber bloß wegen eines Verdachts kündigt, muss er strenge Voraussetzungen erfüllen. Wir erklären, was Sie zur Verdachtskündigung wissen müssen und wie Sie reagieren können.
Wenn der Arbeitgeber Ihnen wegen eines Fehlverhaltens kündigt, muss er den Vorwurf vor Gericht grundsätzlich beweisen können. Andernfalls erklärt das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam und Sie behalten Ihren Arbeitsplatz.
Davon gibt es allerdings eine Ausnahme. Der Arbeitgeber darf ausnahmsweise allein wegen eines Verdachts kündigen. Er entlässt Sie dann also, ohne sicher zu wissen, ob der Vorwurf gegen Sie zutrifft.
Eine solche Verdachtskündigung ist nur unter diesen Voraussetzungen zulässig:
Nicht jeder Fehltritt berechtigt zur Verdachtskündigung. Es muss ein schwerer Vorwurf im Raum stehen, der für eine fristlose Kündigung ausreicht.
Die Schwelle liegt damit sehr hoch. Der Vertrauensbruch – wenn der Verdacht denn zutrifft – muss so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber die Zusammenarbeit nicht einmal mehr für die Dauer der Kündigungsfrist zumutbar ist.
Beispiele, die je nach Einzelfall eine Verdachtskündigung rechtfertigen können:
Beispiele, die in der Regel keine Verdachtskündigung rechtfertigen:
Bloße Gerüchte und Vermutungen reichen selbst für eine Verdachtskündigung nicht aus. Der Arbeitgeber muss konkrete Tatsachen zur Hand haben, die den Verdacht begründen.
Beispiel: Im Unternehmen gehen auffällig viele Maschinen verloren. Der Arbeitgeber vermutet, dass Mitarbeiter M sie klaut. Allein diese Vermutung reicht nicht aus. Eine Verdachtskündigung ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber konkrete Anhaltspunkte hat. In Betracht kommt z.B., dass die Maschinen ausschließlich während der Schichtdienste des M abhanden kommen.
Bevor der Arbeitgeber kündigt, muss er versuchen, den Sachverhalt aufzuklären.
Insbesondere hat er den betroffenen Arbeitnehmer zu den Vorwürfen anzuhören. Der Mitarbeiter soll so die Chancen erhalten, den Vorwurf aufzuklären. Die Anhörung geschieht aus Beweisgründen in der Regel schriftlich. Der Arbeitgeber darf damit grundsätzlich nicht länger als eine Woche abwarten, sobald der Verdacht aufkommt. Längere Fristen können gelten, wenn der Arbeitgeber den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten möchte.
Außerdem muss der Arbeitgeber alle naheliegenden Beweismittel auswerten, also insbesondere relevante Zeugen anhören.
Die meisten Verdachtskündigungen werden fristlos ausgesprochen. Das Arbeitsverhältnis endet dann also von einem Tag auf den anderen.
Der Arbeitgeber hat für die fristlose Verdachtskündigung allerdings ab der Anhörung grundsätzlich nur zwei Wochen Zeit. Nach Ablauf der Zweiwochenfrist ist nur noch eine Verdachtskündigung mit Frist möglich.
Daneben gelten die üblichen formalen Anforderungen an eine Kündigung. Der Arbeitgeber muss also den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung anhören. Diese ist bei der Verdachtskündigung besonders fehleranfällig.
Die Kündigung muss Ihnen selbstverständlich auch schriftlich im Original und mit Unterschrift einer vertretungsberechtigten Person zugehen.
Eine vorherige Abmahnung ist in aller Regel nicht notwendig. Die Abmahnung würde ihren Zweck verfehlen. Sie soll den Arbeitnehmer zu einem besseren Verhalten bewegen. Grund für die Kündigung ist aber nicht ein Fehlverhalten, sondern der bloße Verdacht. Wenn der Verdacht unbegründet ist, kann der Arbeitnehmer auch kein besseres Verhalten an den Tag legen.
Wenn Sie eine Verdachtskündigung erhalten haben, müssen Sie schnell handeln. Sie haben nur drei Wochen Zeit, um gegen die Kündigung zu klagen. Nach Ablauf der Frist wird die Kündigung wirksam – selbst wenn sie rechtswidrig ist.
Wir raten Ihnen deshalb, möglichst schnell einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuzuziehen. Herr Dr. Ahlborn prüft für Sie, ob der Arbeitgeber die hohen Anforderungen einer Verdachtskündigung eingehalten hat.
Melden Sie sich nach Erhalt der Kündigung außerdem sofort arbeitssuchend und arbeitslos. Die Meldungen sind notwendig, um Arbeitslosengeld I zu erhalten. In der Regel müssen Sie dann nach einer Verdachtskündigung nicht mit einer Sperrzeit beim ALG I rechnen. Ausnahmen gelten, wenn Ihnen der Vorwurf nachgewiesen wird oder Sie sich jeder Mitwirkung an der Aufklärung verweigern.
Tipp: Signalisieren Sie Ihrem Arbeitgeber nach Möglichkeit nicht, dass Sie bereit sind, die Kündigung zu akzeptieren. Zum einen könnte man dies so deuten, als gäben Sie den Vorwurf zu. Zum anderen verschlechtern Sie Ihre Ausgangslage, wenn Sie eine Abfindung aushandeln möchten.
Nach einer Verdachtskündigung ist das Vertrauensverhältnis meist ruiniert. Beide Parteien wollen nicht mehr miteinander arbeiten. Viele Arbeitnehmer sind daher in erster Linie an einer hohen Abfindung interessiert.
Die Chancen auf eine Abfindung stehen auch meistens gut. Allerdings sind Verhandlungen notwendig. Ein Recht auf Abfindung besteht nach der Verdachtskündigung nicht.
Vielmehr bietet der Arbeitgeber in den meisten Fällen freiwillig eine Abfindung an, damit der Arbeitnehmer die Kündigung akzeptiert. Das kann vor oder nach Erhebung der Klage geschehen.
Mit dem Angebot will der Arbeitgeber das große Risiko ausschalten, das mit jeder Verdachtskündigung verbunden ist. Für ihn ist schwer abschätzbar, ob das Arbeitsgericht die Verdachtskündigung für wirksam hält. Wie erwähnt, sind die Anforderungen hoch. Eine Niederlage wäre für den Arbeitgeber fatal. Er müsste Sie wiedereinstellen und für die gesamte Prozessdauer nachbezahlen.
Je schlechter die Kündigung begründet ist, desto höher wird die Abfindung ausfallen. Deshalb ist es ratsam, dass ein Fachanwalt für Arbeitsrecht für Sie verhandelt, der die Schwächen einer Kündigung besser einschätzen kann.
Die Standardformel für Abfindungen lautet: 0,5 Bruttomonatsgehälter x Anzahl der Beschäftigungsjahre im Betrieb. Die Abfindung kann – gerade nach einer Verdachtskündigung – auch deutlich höher ausfallen. Ebenso ist möglich, dass der Arbeitgeber nur zu einer geringen oder gar keiner Abfindung bereit ist.
Die strafrechtliche Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft und die Kündigung aufgrund eines Verdachts sind zwei voneinander unabhängige Prozesse. Dennoch können Erkenntnisse aus dem Strafverfahren im arbeitsrechtlichen Verfahren als Anhaltspunkte dienen.
Sollte sich später im Strafprozess oder durch andere Umstände die Unschuld des Arbeitnehmers herausstellen, hat dieser das Recht, wieder eingestellt zu werden. In der Praxis ist dies allerdings schwer durchsetzbar.
Umgekehrt kann der Arbeitgeber, wenn die Verdachtskündigung nicht erfolgreich war, grundsätzlich erneut kündigen, falls im Strafprozess die Schuld des Arbeitnehmers bewiesen wird. In diesem Fall basiert die Kündigung auf der tatsächlichen Tat und nicht mehr auf dem bloßen Verdacht.
Bei Fragen rund um das Thema Kündigung und Abfindung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.