Jeder Arbeitnehmer in Deutschland hat einen gesetzlichen Mindestanspruch auf Urlaub. Doch was passiert, wenn das Arbeitsverhältnis endet und der Urlaub noch nicht vollständig gewährt wurde? Wir klären auf, was nach einer Kündigung für Ihren Urlaub gilt.
Bei einer Fünf-Tage-Woche stehen Ihnen als Arbeitnehmer mindestens 20 Tage Urlaub im Jahr zu. Diesen Anspruch haben Sie ohne Wenn und Aber. Vereinbarungen, wonach Sie statt des gesetzlichen Mindesturlaubs mehr Geld erhalten, sind unwirksam.
Viele Arbeitgeber bzw. Tarifverträge gewähren darüber hinaus weiteren Urlaub. Man spricht vom „vertraglichen Mehrurlaub“. Soweit im jeweiligen Arbeits- oder Tarifvertrag nichts Abweichendes geregelt ist, gelten für diesen Urlaub dieselben Regeln (s. aber insbesondere zum vertraglichen Ausschluss unter 7.).
Der Urlaub ist grundsätzlich im jeweiligen Jahr „in Natur“ zu nehmen. Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung ist eine Übertragung ins nachfolgende Jahr nur unter engen Voraussetzungen möglich. Es müssen dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe vorliegen. Dann ist der Urlaub höchstens bis zum 31.03. des Folgejahres zu nehmen. Geschieht dies nicht, verfällt er, wenn der Arbeitgeber rechtzeitig und ganz konkret auf den drohenden Verfall hinweist (dies ist neu!).
Achtung: Tarifverträge können andere Verfallsfristen vorsehen. Auch für den vertraglichen Mehrurlaub kann Anderes geregelt sein.
Stehen Ihnen am Ende des Arbeitsverhältnisses noch ungenutzte Urlaubstage zu, können Sie dafür grundsätzlich Geld verlangen (aber nur, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist!).
Die Höhe dieser Urlaubsabgeltung bestimmt sich nach Ihrem durchschnittlichen Arbeitslohn des letzten Quartals bzw. der letzten 13 Wochen. Regelmäßige Lohnzuschläge sind hier zu berücksichtigen, Kürzungen oder Überstunden hingegen nicht. Als Grundlage zur Berechnung für eine Vollzeitstelle dient die folgende Formel:
Monatliches Bruttogehalt x 3 (=Quartalsgehalt) / 13 (Wochen) / 5 (Werktage) = durchschnittliches arbeitstägliches Gehalt.
Beispiel: Koch K arbeitet in Vollzeit und hat ein monatliches Bruttogehalt von 2.500 €. Er wird zum 31.12.2021 gekündigt. K hat noch 15 offene Urlaubstage. Im letzten Quartal hatte er ein Einkommen von 7.500 € brutto. Geteilt durch 13 Wochen ergibt dies ein wöchentliches Gehalt von 576,9 € und ein arbeitstägliches Bruttogehalt von 115,3 €. Ihm steht also eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 115,3 x 15 = 1.730,7 € zu.
Die Höhe der zu berücksichtigenden Urlaubstage hängt vom Kündigungszeitpunkt ab. Bei Kündigungen innerhalb der ersten Jahreshälfte (bis zum 30.06.), sind die Urlaubstage nur anteilig zu den vollen Monaten zu berechnen, die das Arbeitsverhältnis besteht. Bei Kündigungen nach dem 30.06. steht dem Arbeitnehmer der offene Jahresurlaub voll zu.
Schickt der Arbeitgeber Sie während der Kündigungsfrist in den Urlaub, müssen Sie das hinnehmen. Wann genau Sie frei bekommen, hat der Arbeitgeber zwar mit Rücksicht auf Ihre Wünsche zu entscheiden. Droht allerdings, dass am Ende des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubstage offenbleiben, darf der Arbeitgeber die genaue Terminierung nach seinen Vorstellungen bestimmen. Nur wenn Ihnen diese Daten unzumutbar sind, können Sie etwas dagegen tun.
Häufig erklären Arbeitgeber während der Kündigungsfrist die Freistellung des jeweiligen Arbeitnehmers. Sie sollen dann also nicht mehr zur Arbeit erscheinen, werden aber trotzdem weiterbezahlt. Arbeitgeber versuchen dann, Ihre offenen Urlaubstage mit der Freistellung zu verrechnen. So wollen die Unternehmen die Urlaubsabgeltung umgehen.
In diesen Fällen kommt es für die Frage der Urlaubsabgeltung entscheidend auf die Formulierung an. Sind Sie widerruflich freigestellt, müssen Sie während der Kündigungsfrist jederzeit damit rechnen, dass der Arbeitgeber Sie wieder in den Betrieb zitiert. Die Folge: Ihre Urlaubsansprüche bleiben bestehen und sind später in Geld abzugelten.
Eine Anrechnung auf den Urlaub ist nur möglich, wenn die Freistellung unwiderruflich erfolgt. Zudem muss der Arbeitgeber entweder vor Urlaubsantritt das Urlaubsentgelt zahlen oder dieses zumindest vorbehaltlos zusagen.
Noch höhere Anforderungen treffen laut dem Bundesarbeitsgericht (BAG) den Arbeitgeber, wenn er während der Zeit der Freistellung Urlaub gewähren und etwaige Zwischenverdienste auf den Vergütungsanspruch anrechnen möchte. Dann muss der Arbeitgeber deutlich machen, zu welchen Zeiten genau Urlaub gewährt wird. Diese Tage werden nämlich nicht auf einen Zwischenverdienst angerechnet.
Grundsätzlich gilt bei einer fristlosen Kündigung das gleiche wie bei einer ordentlichen Kündigung: Resturlaubsansprüche sind abzugelten. Dies gilt sowohl bei einer fristlosen Kündigung durch Sie als auch durch den Arbeitgeber. Da das Arbeitsverhältnis von einem Tag auf den anderen endet, besteht auch gar keine Möglichkeit, offene Urlaubstage noch „in natura“ zu nehmen.
Besonderheiten können sich ergeben, wenn die fristlose Kündigung nicht wirksam ist. Gut beratene Arbeitgeber versehen eine fristlose Kündigung mit dem Zusatz, dass Sie hilfsweise ordentlich kündigen. Erklärt das Arbeitsgericht die fristlose Kündigung dann für unwirksam, bliebe noch die ordentliche Kündigung. Ist zumindest diese wirksam, endet das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist. Eine bereits gezahlte Urlaubsabgeltung soll dann als Urlaubsentgelt während der Kündigungsfrist verstanden werden.
Dieses Vorgehen ist nach dem BAG zulässig. Erforderlich dafür ist aber, dass der Arbeitgeber ausdrücklich Urlaub gewährt und Sie nicht nur von der Arbeit freistellt. Zudem muss der Arbeitgeber auch hier die Urlaubsvergütung vor Urlaubsantritt zahlen oder zumindest vorbehaltlos zusichern.
Ganz klar: Ja! Gerade im Fall krankheitsbedingter Kündigungen bleibt häufig noch eine hohe Anzahl an Resturlaubstagen bestehen. Während Ihrer Krankheit sammeln Sie nämlich weiter Urlaubstage an.
Beispiel: Sind Sie von Januar bis November 2022 arbeitsunfähig erkrankt und erhalten Sie im Dezember die Kündigung, stehen Ihnen für 2022 alle Urlaubstage zu.
Bei Langzeiterkrankungen stehen Ihnen die Urlaubstage sogar über das nachfolgende Jahr hinaus zu. Grund dafür sind europarechtliche Vorgaben. Die Resturlaubstage bleiben noch bis zu 15 Monate nach Ende des jeweiligen Jahres bestehen. Ausschlussfristen in Arbeits- oder Tarifverträgen gelten für diese Frist nicht.
Aber Achtung: Die Geltendmachung der Urlaubsansprüche „in Natur“ ist zwar bis zu 15 Monate lang möglich. Ist das Arbeitsverhältnis aber einmal beendet, steht Ihnen ein Abgeltungsanspruch in Geld zu. Für diesen gelten arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen wiederum. Sie haben also meistens nur ein paar Monate Zeit, um die Urlaubsabgeltung zu verlangen.
Beispiel: Fabrikarbeiter F erkrankt am 15.09.2020 chronisch. Zum 30.04.2022 kündigt ihm sein Arbeitgeber krankheitsbedingt. Im Tarifvertrag ist vereinbart, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind. Am 15.08.2022 fordert F die Urlaubsabgeltung für die Zeit vom 15.09.2020 bis zum 30.04.2022.
Lösung: F macht seine Abgeltungsansprüche erst 3,5 Monate nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Fälligkeit des Abgeltungsanspruchs) geltend. Er hat die Ausschlussfrist daher nicht gewahrt. F hat deshalb keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Er hätte früher aktiv werden müssen!
Der Mindesturlaubsanspruch kann nicht vertraglich ausgeschlossen werden. Etwas anderes gilt jedoch für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung, nachdem das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Erledigungsklauseln in gerichtlichen Vergleichen sehen häufig vor, dass alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Vergleich erledigt sind. Davon umfasst ist auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
Vorsicht: Einige Arbeitgeber gewähren mehr Urlaubstage, als sie laut Gesetz müssten. Im Arbeitsvertrag ist dann gelegentlich vereinbart, dass dieser Anspruch auf den sog. Mehrurlaub automatisch verfällt, wenn eine Partei kündigt. Diese Regelung ist grundsätzlich wirksam.
Leider verbrauchen Sie Ihre (besser geschützten) gesetzlichen Urlaubstage auch vor den freiwillig gewährten. Die ersten zwanzig Urlaubstage, die Sie im Jahr nehmen, werden in aller Regel Ihrem gesetzlichen Anspruch zugerechnet. Alles, was Ihnen nun an Resturlaub noch bleibt, ist in der Regel vertraglicher Mehrurlaub. Dieser verfällt mit der Kündigung ggf.
Für die Zeit der Urlaubsabgeltung verhängt die Agentur für Arbeit eine sogenannte Ruhenszeit, in der kein Arbeitslosengeld I gezahlt wird. Diese Ruhenszeit ist von der Sperrzeit zu unterscheiden. Durch die Ruhenszeit wird lediglich der Auszahlungszeitraum nach hinten verschoben. Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld I bleibt jedoch der Dauer nach voll bestehen (meist 12-24 Monate).
Die Sperrzeit hingegen sanktioniert Arbeitnehmer, die ihre Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt haben (z.B. durch eine Eigenkündigung). Dann wird der gesamte Auszahlungszeitraum um die Sperrzeit, meist 12 Wochen, verkürzt.
Bei Fragen rund um das Thema Urlaub und Kündigung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.