Im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung muss Ihr Arbeitgeber eine Sozialauswahl treffen. Doch was bedeutet das eigentlich und nach welchen Kriterien findet diese statt? Wir erklären Ihnen hier alle wichtigen Hintergründe und zeigen, wie Sie trotz Kündigung von einer Sozialauswahl profitieren können.
Die Sozialauswahl spielt eine wichtige Rolle bei der betriebsbedingten Kündigung. Eine betriebsbedingte Kündigung beruht nicht auf dem Verhalten eines bestimmten Arbeitnehmers, sondern basiert auf wirtschaftlichen, im Betrieb liegenden Gründen. Dazu zählen etwa Insolvenz, eine schlechte Konjunkturlage oder eine Umstrukturierung des Unternehmens.
Der Arbeitgeber möchte in den meisten Fällen also Stellen abbauen. In der Entscheidung, welche Arbeitnehmer er entlässt, ist er jedoch nicht frei. Er muss sich an gesetzlich festgelegte Kriterien halten. Diese sogenannte Sozialauswahl ist in § 1 Abs. 3 KSchG geregelt.
Sie schützt Sie als Arbeitnehmer vor einer beliebigen und unfairen Kündigung.
Beispiel: Sie arbeiten im Marketing des Unternehmens. Ihre Aufgabe will Ihr Arbeitgeber nun größtenteils outsourcen. Im Marketing-Team sind fünf Arbeitnehmer auf derselben Hierarchieebene, drei Stellen möchte Ihr Arbeitgeber streichen. Ihr Arbeitgeber darf sich nicht wahllos entscheiden, sondern muss zwischen Ihnen fünf eine Sozialauswahl treffen.
Damit die Sozialauswahl Anwendung findet, muss zunächst das Kündigungsschutzgesetz greifen. Das ist der Fall, wenn Sie länger als sechs Monate im Betrieb arbeiten und es mindestens zehn Beschäftigte gibt. In Kleinbetrieben ist Ihr Arbeitgeber hingegen in seiner Kündigungsentscheidung deutlich freier. Die Kündigung ist dann nur in seltenen Ausnahmefällen angreifbar.
Mithilfe der Sozialauswahl soll der Arbeitgeber die Schutzwürdigkeit der potentiell zu kündigenden Arbeitnehmer berücksichtigen. Dafür zieht er bestimmte Kriterien heran und vergibt Punkte, sodass sich eine Rangfolge entsprechend der Schutzwürdigkeit ergibt.
Doch um die Arbeitnehmer überhaupt vergleichen zu können, müssen zunächst Vergleichsgruppen gebildet werden. Nur innerhalb dieser ist eine Bewertung fair.
Eine Vergleichsgruppe bilden solche Arbeitnehmer, die fachlich vergleichbare Tätigkeiten auf derselben Hierarchieebene wahrnehmen. Man spricht von horizontaler Vergleichbarkeit. Die Arbeitnehmer sind vergleichbar, wenn sie untereinander austauschbar sind. Ist dies nicht der Fall, ist auch keine Sozialauswahl notwendig.
Um eine ausgewogene Altersstruktur im Betrieb herzustellen, kann in Ausnahmefällen auch eine Zergliederung nach Altersgruppen erfolgen.
Beispiel: Ein Unternehmen beschäftigt in drei Filialen insgesamt 30 Mitarbeiter. In jeder Filiale gibt es einen Filialleiter, jeweils sieben Verkäufer und jeweils zwei IT-Beauftrage. Die drei Filialleiter, die insgesamt 21 Verkäufer und die sechs IT-Beauftragten bilden jeweils eine Vergleichsgruppe, innerhalb derer die Sozialauswahl stattfindet. Die Position des Filialleiters ist mit dem IT-Beauftragten nicht austauschbar. Möchte der Arbeitgeber Stellen im IT-Bereich abbauen, muss er die Filialleiter und Verkäufer in der Sozialauswahl daher nicht berücksichtigen.
Die Sozialauswahl findet auf Grundlage folgender Kriterien statt:
Lebensalter
Das Lebensalter spielt mit Blick auf die Chancen auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle. Denn jüngere Arbeitnehmer haben tendenziell bessere Chancen, eine neue Stelle zu finden als ihre älteren Kollegen. Ihr Arbeitgeber muss daher jüngere Beschäftigte vorrangig kündigen. Das Lebensalter darf er jedoch nicht zur Begründung gesundheitlicher Faktoren heranziehen. Die Details des Alterskriteriums sind kompliziert und teilweise umstritten.
Dauer der Betriebszugehörigkeit
Ebenfalls entscheidend kann die Dauer der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit sein. Ein langjähriger Mitarbeiter soll so für seine Treue belohnt werden.
Unterhaltspflichten
Haben Sie Unterhaltspflichten gegenüber Angehörigen (insbes. ggü. Kindern), sind Sie ganz besonders auf ein stabiles Einkommen angewiesen. Im Rahmen der Sozialauswahl sollte Ihr Arbeitgeber Sie daher gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Kollegen bevorzugt behandeln.
Schwerbehinderung
Auch eine Schwerbehinderung muss der Arbeitgeber in der Sozialauswahl berücksichtigen. Denn auch für Schwerbehinderte ist die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz durchaus schwieriger.
Auf Grundlage dieser Kriterien kann der Arbeitgeber Punkte vergeben, sodass die Rangfolge die Schutzwürdigkeit der Arbeitnehmer widerspiegelt. Zunächst darf er dann die am wenigsten schutzwürdigen Mitarbeiter kündigen. In welches Verhältnis der Arbeitgeber die einzelnen Kriterien jedoch stellt und wie er die Punkte vergibt, bleibt ihm selbst überlassen. Wichtig ist jedoch, dass er seine Herangehensweise begründet darlegen kann.
Wie immer gibt es Ausnahmen. Einige Arbeitnehmer sind von der Sozialauswahl ausgenommen. Denn bestimmte Kenntnisse oder Fähigkeiten, die für die berufliche Tätigkeit von Bedeutung sind, können eine bevorzugte Behandlung rechtfertigen. So stellen beispielsweise entscheidende Sprachkenntnisse oder Zusatzqualifikationen ein berechtigtes Interesse an der bevorzugten Weiterbeschäftigung dar. Möglicherweise sollen Sie innerhalb des Betriebs eine neue Position wahrnehmen. Auch in diesem Fall darf der Arbeitgeber Sie ggf. von der Sozialauswahl ausnehmen.
Besonders wenige Krankmeldungen im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern rechtfertigt eine Ausnahme jedoch nicht.
Wichtig: Arbeiten Sie in Teilzeit, sind Sie nicht automatisch weniger schutzwürdig. Das heißt, dass grundsätzlich Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte gleichbehandelt werden müssen. In bestimmten Fällen setzt sich jedoch die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gegenüber dem Gleichbehandlungsanspruch durch.
Doch nicht nur die Sozialauswahl ist eine zentrale Voraussetzung der betriebsbedingten Kündigung. Für eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung sind noch andere Vorgaben wichtig.
Zunächst muss Ihr Arbeitgeber die Gründe, die zur betriebsbedingten Kündigung führen, darlegen und beweisen können. Auch die vorherige Anhörung des Betriebsrats und möglicherweise eine Massenentlassungsanzeige beim Arbeitsamt sind Voraussetzung für eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung.
In der Gesamtschau müssen die Interessen des Arbeitgebers an der Kündigung gegenüber Ihrem Interesse überwiegen. Dabei ist auch wichtig, dass Ihre Entlassung für Ihren Arbeitgeber die letztmögliche Chance ist. Gibt es im Unternehmen vergleichbare freie Stellen, muss Ihr Arbeitgeber Ihnen diese anbieten. Dies gilt auch oft, wenn er dafür eine Fortbildung oder Umschulung bezahlen muss.
Die Sozialauswahl ist natürlich dann für Sie von Vorteil, wenn Sie besonders schutzwürdig sind. Andernfalls können Sie gegen eine korrekt durchgeführt Sozialauswahl leider auch nicht so viel machen.
Doch Achtung: Die Sozialauswahl ist sehr fehleranfällig und das können Sie sich zu Nutze machen.
Möchten Sie auf Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, können Sie gegen die Kündigung vorgehen. Damit sich eine Klage lohnt, sollten Sie sich der Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl sicher sein. Andernfalls kann die Klage für Sie hohe Kosten nach sich ziehen. Berücksichtigen Sie auch die Klagefrist: Nach ausgesprochener Kündigung haben Sie nur drei Wochen Zeit zur Klageerhebung.
Oft sind Ihre Aussichten auf eine neue Stelle aber gar nicht so schlecht. Akzeptieren Sie die Kündigung, haben Sie die Möglichkeit, eine Abfindung auszuhandeln. Hier ist Ihr Verhandlungsgeschick gefragt. Umso mehr Fehler die Kündigung aufweist, um so höher sind die Chancen auf eine attraktive Abfindung. Gerade Fehler bei der Sozialauswahl führen oft zu hohen Abfindungsbeträgen. Denn mit der Zahlung verhindert Ihr Ex-Arbeitgeber, dass Sie Ihre Klage gegen die Kündigung gewinnen und wiedereingestellt werden müssen.
Bei Fragen rund um das Thema Kündigung und Abfindung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.