Ein Betriebsübergang ist für Arbeitgeber eine Herausforderung. Oft müssen Arbeitsverträge angepasst werden. Dieser Beitrag erklärt, wie Sie vor oder nach einem Betriebsübergang neue Arbeitsverträge durchsetzen können.
Bei einem Betriebsübergang geht ein Unternehmen oder Teile dessen auf einen anderen Inhaber über. Ausreichend ist bereits, dass eine „wirtschaftlichen Einheit“ im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen übergeht. Das kann etwa Maschinen und sonstige Arbeitsmittel, aber insbesondere auch Kunden und Belegschaft erfassen.
Die alten Arbeitsverträge der Arbeitnehmer gehen ohne Weiteres auf den Erwerber über. Der Erwerber tritt also automatisch in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB). Der neue Inhaber hat dem Arbeitnehmer dabei die gleichen Arbeitsbedingungen zu gewähren wie der alte Arbeitgeber. Es ändert sich allein der Vertragspartner. Erwerber und Veräußerer können den Übergang der Arbeitsverträge auch nicht ausschließen.
Der Übergang der Arbeitsverträge stellt den Erwerber vor Probleme. Die Arbeitsbedingungen der neuen Arbeitnehmer unterscheiden sich oftmals erheblich von denen der bisherigen Belegschaft. Das ist für den Erwerber natürlich nicht nur vorteilhaft, denn er wird in der Regel ein Interesse daran haben, möglichst einheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen oder sogar wirtschaftlichere Bedingungen durchzusetzen.
Im Folgenden erklären wir, wie Arbeitgeber die übernommenen Arbeitsverträge anpassen können.
Ja, bereits das veräußernde Unternehmen kann den Arbeitsvertrag an die künftigen Bedingungen beim neuen Arbeitgeber anpassen. Dies ist durch Abschluss eines Änderungsvertrags möglich.
Beispiel: Der Erwerber macht zur Bedingung seines Kaufs, dass noch vor dem Betriebsübergang die Lohnkosten um 10% gesenkt werden.
Allerdings setzt die Änderung des Arbeitsvertrags voraus, dass der jeweilige Arbeitnehmer zustimmt. Eine einseitige Anpassung ist hingegen ausgeschlossen. In den meisten Fällen kommen Änderungsverträge daher nicht in Betracht.
Achtung: Der Änderungsvertrag selbst darf nämlich nicht Bedingung für den Übergang des Arbeitsverhältnisses sein, um den Arbeitnehmer zur Zustimmung zu drängen.
Beispiel: Arbeitgeber A vermittelt seinem Arbeitnehmer, er müsse den Änderungsvertrag unterschreiben, um nach Betriebsübergang bei Arbeitgeber B beschäftigt werden zu können.
Unzulässig sind daneben auch sittenwidrige Änderungsverträge. Sittenwidrig sind solche Vereinbarungen, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Hierzu hat die Rechtsprechung mehrere Fallgruppen entwickelt, deren Abgrenzung und Einordnung von vielen Einzelfallumständen abhängig ist. Es empfiehlt sich in jedem Fall, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht heranzuziehen.
Wie bereits gezeigt, ändert sich der Arbeitsvertrag durch den Betriebsübergang nicht. Allerdings können der Arbeitnehmer und der neue Arbeitgeber ihren Arbeitsvertrag natürlich einvernehmlich ändern.
Eine einseitige Änderung der Arbeitsbedingungen durch den erwerbenden Arbeitgeber ist hingegen auch hier nicht möglich. Dies gilt auch für den Fall, dass die Arbeitsbedingungen der Stammbelegschaft sich von denen der hinzutretenden Arbeitnehmer unterscheiden. Daran ändert auch der Verweis auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nichts.
Betriebsvereinbarungen gelten nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB grundsätzlich unverändert fort. Etwas anderes gilt nach § 613a Abs. 1 S. 3 BGB, wenn der Regelungsgegenstand der alten Betriebsvereinbarung beim Erwerber bereits durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt ist.
Bezüglich der Fortgeltung von Tarifverträgen ist zwischen folgenden Konstellationen zu unterscheiden (vereinfacht):
In den wenigsten Fällen stimmen Arbeitnehmer den neuen Arbeitsbedingungen freiwillig zu. Erfolgversprechender ist insofern eine Änderungskündigung durch den Veräußerer oder nach Betriebsübergang durch den Erwerber. Die Anforderungen sind allerdings hoch – gerade nach einem Betriebsübergang.
Eine Änderungskündigung besteht regelmäßig aus zwei Elementen:
Verboten sind nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB (Änderungs-)Kündigungen, die wegen des Betriebsübergangs erfolgen. Eine Kündigung wegen eines Betriebsübergangs liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann vor, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache, also der Beweggrund, für die Kündigung ist.
Beispiel: Der erwerbende Arbeitgeber spricht dem Arbeitnehmer eine Änderungskündigung mit der Begründung aus, dass die Arbeitsbedingungen wegen des Betriebsübergangs geändert werden müssen. Eine solche Änderungskündigung ist rechtswidrig.
Erwerber wie Veräußerer können aber weiterhin aus anderen Gründen kündigen. Insbesondere an verhaltens- oder personenbedingte Kündigungen werden im Zuge eines Betriebsübergangs keine zusätzlichen Voraussetzungen gestellt.
Beispiel: Der Arbeitnehmer erscheint auch nach zahlreichen Abmahnungen häufig unentschuldigt zu spät bei der Arbeit. Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt in diesem Fall unabhängig vom Betriebsübergang in Betracht.
Oftmals liegt aber eine betriebsbedingte (Änderungs-)Kündigung für den erwerbenden Arbeitgeber näher. So kann dieser etwa geltend machen, dass die Änderungskündigung aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sei. Insbesondere kann die Kündigung dann auch einen Bezug zum Betriebsübergang aufweisen, sofern andere Gründe tragend sind.
Ob die Änderungskündigung in diesen Fällen rechtmäßig ist, hängt stark vom Einzelfall ab. Typische Fehler sind:
Häufige Gründe für eine Änderungskündigung nach einem Betriebsübergang sind etwa:
Umstrukturierung des Betriebs
Oftmals geht mit dem Betriebsübergang eine größere Umstrukturierung beim Erwerber einher. Infolgedessen entfallen Arbeitsplätze oder Aufgaben werden neu verteilt.
Oft reichen die Veränderungen so weit, dass eine Versetzung des Arbeitnehmers im Rahmen des bisherigen Arbeitsvertrags nicht möglich ist. Wenn der Arbeitnehmer den neuen Aufgaben nicht freiwillig zustimmt, kann die Veränderung ggf. durch eine Änderungskündigung durchgesetzt werden.
Lohnkostenreduzierung
Eine Reduzierung des Gehalts im Rahmen einer Änderungskündigung kommt in Betracht, wenn der Betrieb mit den bisherigen Lohnkosten unprofitabel wäre.
Dabei bestehen jedoch hohe Hürden. Die Anforderungen im Einzelnen sind noch ungeklärt. Das Bundesarbeitsgericht fordert, dass ansonsten eine „absolute“ Gefahr für den Arbeitsplatz bestünde oder der Betrieb finanziell nahezu ruiniert wäre. Zum Teil reicht jedoch auch schon, dass die Rentabilität beeinträchtigt wäre.
Standortwechsel
Eine Änderungskündigung kann auch dann sinnvoll sein, wenn der erwerbende Arbeitgeber den Betrieb in eine andere Stadt verlagert. Ist in dem bisherigen Arbeitsvertrag ein anderer Standort als Arbeitsort festgelegt, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht am neuen Standort arbeiten.
Der Arbeitgeber kann dann im Rahmen der Änderungskündigung einen neuen Arbeitsvertrag mit dem angepassten Arbeitsort vorlegen.
Tarifvertragsänderung
Häufig nehmen Arbeitsverträge auf einen bestimmten Tarifvertrag Bezug. Die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Arbeitsbedingungen werden dann automatisch Teil des Arbeitsvertrags. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Mitglied der Gewerkschaft oder der Arbeitgeber Mitglied im Arbeitgeberverband ist.
Beispiel: „Auf dieses Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag X in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung.“ (sog. dynamische Bezugnahmeklausel).
Solche Bezugnahmeklauseln können jedenfalls dann zu Problemen führen, wenn der Betrieb des erwerbenden Arbeitgebers einem anderen Tarifvertrag unterliegt. Konsequenz wäre, dass für übernommene Arbeitnehmer und Stammbelegschaft unterschiedliche Arbeitsbedingungen gälten.
Um dem zu begegnen, können Arbeitgeber durch eine Änderungskündigung die tarifvertragliche Bezugnahmeklausel ändern. Die Anforderungen an deren Rechtmäßigkeit sind jedoch hoch und noch nicht abschließend geklärt.
Bei Fragen rund um das Thema Betriebsübergang wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.