Als schwerbehinderter Arbeitnehmer hat man es auf dem Arbeitsmarkt oft nicht leicht. Deswegen sind Schwerbehinderte vor Kündigungen besonders gut geschützt.
Wann schwerbehinderten Arbeitnehmern gekündigt werden kann und was Sie noch zu diesem Thema wissen sollten, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Unter einer Behinderung versteht man körperliche Beeinträchtigungen, die länger als 6 Monate andauern. Entscheidend für die Schwerbehinderteneigenschaft ist der sogenannte Grad der Behinderung (GdB):
Achtung: Sie sollten in jedem Fall einen offiziellen Nachweis des GdB beim Versorgungsamt beantragen und dieses Dokument zeitnah Ihrem Arbeitgeber vorlegen. Denn sonst kann es sein, dass Sie sich nicht auf Ihre Schwerbehinderteneigenschaft berufen können. Eine Ausnahme von dieser Nachweis- und Unterrichtungspflicht gibt es, wenn Ihre Schwerbehinderung offensichtlich ist. Wenn Ihnen beispielsweise ein Arm fehlt oder Sie im Rollstuhl sitzen, kann jeder Ihre Schwerbehinderung mit bloßem Auge erkennen.
Sie genießen unter Umständen sogar dann die für schwerbehinderte Arbeitnehmer geltenden günstigen Regelungen, wenn über Ihren Antrag im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht entschieden wurde. Es ist vielmehr ausreichend, wenn Sie den Antrag mindestens 3 Wochen vor dem Zugang der Kündigungserklärung gestellt hatten und dieser nach Zugang der Kündigung positiv beschieden wird. Sie müssen den Arbeitgeber aber über die Antragsstellung informieren!
Zunächst einmal genießen Schwerbehinderte wie auch ihre nicht-behinderten Kollegen den „normalen“ allgemeinen Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Das KSchG ist anwendbar, wenn im Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt sind und Sie schon mindestens 6 Monate dort arbeiten.
In vielen Fällen können Arbeitgeber nicht einmal die Voraussetzungen des KSchG erfüllen, wenn sie einem schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen wollen. Im Folgenden stellen wir Ihnen die wichtigsten Regelungen des allgemeinen Kündigungsschutzes vor.
Die Kündigung muss gemäß § 623 BGB schriftlich erfolgen. Sonst ist sie unwirksam.
Erforderlich ist daher insbesondere die Unterschrift Ihres Arbeitgebers. Kündigungen per Telefon, SMS oder WhatsApp sind nicht wirksam. Auch muss die Kündigung von einer hierzu berechtigten Person ausgesprochen werden. Längst nicht jeder (auch höherrangige) Angestellte darf Kündigungen aussprechen.
Wenn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar ist, braucht Ihr Arbeitgeber einen wirksamen Grund für die Kündigung. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen kündigen.
Eine Schwerbehinderung kann also grundsätzlich einen Grund für eine personenbedingte Kündigung darstellen. Dazu müssen aber die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber nachweisen, dass diese Anforderungen erfüllt sind. Die Voraussetzungen für eine personenbedingte Kündigung aufgrund der Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers sind also hoch und eine Entlassung daher keinesfalls leicht.
Daneben hat der schwerbehinderte Arbeitnehmer auch bei der betriebsbedingten Kündigung einen Vorteil. Hier muss der Arbeitgeber grundsätzlich eine „Sozialauswahl“ treffen. Bei dieser hat er alle vergleichbaren Arbeitgeber nach sozialen Kriterien zu bewerten. Anschließend muss er zunächst diejenigen Arbeitnehmer entlassen, die die Kündigung nach diesen Kriterien am wenigsten hart treffen würde. Ein maßgebliches Kriterium ist die Schwerbehinderung. Schwerbehinderte Arbeitnehmer starten daher mit einem „Bonus“ in die Sozialauswahl und sind weniger häufig von betriebsbedingten Kündigungen betroffen.
Grundsätzlich muss für jede Kündigung der Betriebsrat angehört werden, wenn es einen solchen im Betrieb gibt. Ohne die Anhörung ist die Kündigung unwirksam. Dies gilt auch bei der Kündigung eines Schwerbehinderten.
In aller Regel kann die Kündigung nur unter Einhaltung einer bestimmten Frist erklärt werden. Nur wenn ein wichtiger Grund für die Kündigung besteht, kann der Arbeitgeber ausnahmsweise fristlos kündigen. Ein solcher wichtiger Grund kann zum Beispiel eine Straftat des Arbeitnehmers zulasten des Arbeitgebers sein. Eine Schwerbehinderung und daraus resultierende Fehlzeiten werden hingegen keinen wichtigen Kündigungsgrund darstellen (etwas Anderes kommt allenfalls bei ordentlich „unkündbaren“ Arbeitnehmern in Betracht; auch dann gilt aber eine Kündigungsfrist).
Bei einer „normalen“ ordentlichen Kündigung richtet sich die Länge der Kündigungsfrist nach § 622 BGB. Je länger das Arbeitsverhältnis bestanden hat, desto länger ist auch die Kündigungsfrist. Bei Arbeitnehmern mit Schwerbehinderung besteht die Besonderheit, dass diese Frist gem. § 169 SGB IX mindestens 4 Wochen beträgt.
Es ist ein wichtiges Ziel des Gesetzgebers, die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter Menschen sicherzustellen. Das wirkt sich auch auf das Arbeitsverhältnis aus: Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Die Regelungen dazu finden sich vor allem im 9. Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Zwar führt der besondere Kündigungsschutz nicht dazu, dass dem schwerbehinderten Arbeitnehmer gar nicht gekündigt werden kann; allerdings ist die Kündigung nur möglich, wenn strenge Regeln eingehalten und mehrere (z.T. externe) Beteiligte einbezogen wurden.
Achtung: Dieser besondere Kündigungsschutz gilt nicht für alle Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung. Er besteht unter anderem nicht in den folgenden Fällen:
Andere spezielle Ausnahmen finden sich in § 173 SGB IX.
Die Kündigung ist nur wirksam, wenn der Arbeitgeber zuvor die Zustimmung des Integrationsamts beantragt und erhält. Die Beteiligung des Integrationsamtes soll sicherstellen, dass die besondere Schutzwürdigkeit des schwerbehinderten Arbeitnehmers beachtet wird. Wird dieses Verfahren nicht eingehalten, ist die Kündigung unwirksam.
Das Integrationsamt führt mit Ihnen eine Anhörung durch, bei der Sie Ihre Sicht der Lage mitteilen können. Anschließend holt das Integrationsamt Stellungnahmen vom Betriebs-/Personalrat sowie von der Schwerbehindertenvertretung ein. Nachdem sich die Behörde auf dieser Grundlage eine fundierte Meinung über Ihre Situation gebildet hat, muss sie die Interessen des Arbeitgebers mit Ihren Interessen abwägen. Grundsätzlich hat die Behörde dabei einen weiten Ermessensspielraum. Nur ausnahmsweise gibt es gem. § 172 SGB IX Einschränkungen. Eine solche Einschränkung der Entscheidungsfreiheit liegt etwa dann vor, wenn Ihnen trotz der Kündigung ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist.
In allen sonstigen Fällen trifft die Behörde eine unabhängige Entscheidung. Als Faustregel gilt: Je mehr die Kündigung mit Ihrer Schwerbehinderteneigenschaft zu tun hat, desto eher wird das Integrationsamt die Zustimmung verweigern. Wenn es aber zum Beispiel um eine verhaltensbedingte Kündigung geht, die nichts mit Ihrer Schwerbehinderteneigenschaft zu tun hat, wird die Behörde in der Regel eher zustimmen. Es kommt aber immer auf den Einzelfall an.
Der Arbeitgeber muss sich nicht nur an den Betriebsrat und das Integrationsamt, sondern auch an die Schwerbehindertenvertretung im Betrieb wenden. Diese Vertretung muss – anders als die Behörde – der Kündigung nicht zustimmen. Es reicht aus, wenn der Arbeitgeber sie informiert und anhört.
Wird die Schwerbehindertenvertretung aber übergangen, ist die Kündigung angreifbar.
In Kleinbetrieben findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Jedoch sind die Arbeitnehmer auch hier nicht völlig schutzlos: Die Kündigungsfrist und die Schriftform müssen weiterhin eingehalten werden. Zudem sind sittenwidrige oder diskriminierende Kündigungen unzulässig.
Außerdem verbleibt Ihnen Ihr besonderer Kündigungsschutz als Schwerbehinderter, da dieser nichts mit dem Kündigungsschutzgesetz zu tun hat und auch in Kleinbetrieben gilt.
Wie Sie sehen, gibt es sehr strenge Anforderungen an die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers. Daher haben Sie vor Gericht oft gute Chancen. Sie sollten schnell handeln, um diesen Vorteil nicht zu verspielen. Denn wie bei jeder Kündigung haben Sie nur 3 Wochen Zeit, um Kündigungsschutzklage zu erheben. Danach gilt die Kündigung automatisch als wirksam, auch wenn sie dies eigentlich nicht war.
Sie sollten sich daher schnellstmöglich Unterstützung von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht suchen. Dieser kann Sie fachkundig zu den nächsten Schritten in Ihrem Fall beraten. Denn unter Umständen kann es neben der Erhebung der Kündigungsschutzklage auch wichtig sein, der Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung zu widersprechen. Für den Widerspruch haben Sie jedoch nur einen Monat Zeit. Schnelles Handeln ist also auf jeden Fall gefragt.
Bei Fragen rund um das Thema Kündigung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.