Jeder Arbeitnehmer war wohl schon einmal krank. Häufen sich die Fehltage, fürchten einige die krankheitsbedingte Kündigung.
Ob der Arbeitgeber krankheitsbedingt kündigen kann, erläutern wir Ihnen in diesem Beitrag.
Gleich vorab: Eine krankheitsbedingte Kündigung ist grundsätzlich möglich.
Der Arbeitnehmer ist meist aber durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geschützt. Eine Kündigung ist daher nur wirksam, wenn der Arbeitgeber einen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgrund hat (§ 1 KSchG).
Bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers handelt es sich um einen „personenbedingten“ Kündigungsgrund, da die Krankheit gerade in der Person des Arbeitnehmers wurzelt. Die krankheitsbedingte Kündigung ist in der Praxis der häufigste Fall der personenbedingten Kündigung.
Der Arbeitnehmer muss aber nicht befürchten, bei jeder kurzen Erkrankung vor die Tür gesetzt zu werden. Die krankheitsbedingte Kündigung muss zunächst folgende Voraussetzungen erfüllen:
Die krankheitsbedingte Kündigung ist aufgrund dieser hohen Anforderungen stark fehleranfällig. Die Klage lohnt sich daher häufig. Das hat unter anderem folgende Gründe:
Auch wird im Rahmen der Interessenabwägung die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und das Alter des Arbeitnehmers berücksichtigt. Einem jahrzehntelang beschäftigten Arbeitnehmer mit zwei Kindern kann der Arbeitgeber beispielsweise weniger leicht kündigen als einem neueingestellten Arbeitnehmer. Unterlaufen dem Arbeitgeber bei dieser Abwägung Fehler, ist die Kündigung ebenfalls unwirksam.
Bei einer längeren Krankheit ist die negative Prognose meist dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer bereits seit mindestens sechs Wochen erkrankt ist und auch zukünftig voraussichtlich arbeitsunfähig erkrankt bleiben wird.
Entscheidend ist der letztgenannte Aspekt, also die Prognose. Wie lange der Arbeitnehmer für eine Kündigung voraussichtlich noch erkrankt sein muss, wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Gekündigt werden kann aber fast immer, wenn die Genesung innerhalb der nächsten 2 Jahre nicht zu erwarten ist. Hier gilt wiederum, dass der Arbeitgeber diese Prognose anhand objektiver Tatsachen belegen muss.
Ist der Arbeitnehmer aufgrund der Krankheit dauerhaft arbeitsunfähig, ist die negative Prognose ohnehin erfüllt und eine Kündigung meist möglich.
Beispiel: Der Chirurg A verliert bei einem Autounfall dauerhaft die Bewegungsfähigkeit seiner Hände.
Eine Besserung ist hier nicht zu erwarten, daher kann A nicht länger seiner Arbeit nachkommen und die negative Prognose ist erfüllt. Eine krankheitsbedingte Kündigung wäre grundsätzlich möglich, wenn der Chirurg nicht in Positionen eingesetzt werden kann, in denen er seine Hände nicht benötigt.
Auch bei häufigen kurzen Erkrankungen des Arbeitnehmers kommt es zu einem erheblichen Arbeitsausfall. Erschwerend kommt hinzu, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer oftmals über volle sechs Wochen Entgeltfortzahlung (§ 3 EntgFG) zahlen muss, weil die Fortzahlungspflicht mit jeder neuen Erkrankung grundsätzlich von Neuem beginnt.
Auch hier kommt es entscheidend auf die Negativprognose an. Sie ist zwar ausschließlich auf die Zukunft gerichtet; natürlich lassen sich aus der Vergangenheit aber Rückschlüsse auf künftige Fehlzeiten ziehen.
So ist die Prognose bei häufigen Kurzerkrankungen meist erfüllt, wenn der Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg insgesamt länger als sechs Wochen pro Jahr aufgrund von Krankheit nicht arbeiten konnte.
Hier findet jedoch immer eine Betrachtung des Einzelfalls statt. Beispielsweise wäre bei einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Beinbruchs keine Wiederholung zu erwarten, bei einer jährlich wiederkehrenden Grippeerkrankung hingegen schon.
Zu der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen folgender Beispielfall (Az. 2 AZR 755/13), der vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verhandelt wurde:
Arbeitnehmer A war seit 1991 als Maschinenführer bei Arbeitgeber B beschäftigt. A war jedes Jahr mehrere Tage erkrankt. Insgesamt fehlte er bis 2011 an über 1.000 Tagen. B kündigte dem A daher aufgrund seiner ständigen Erkrankungen und hohen Fehlzeiten. Hiergegen erhob A Klage. Mit Erfolg?
Das BAG urteilte, dass der A ganz erhebliche Fehlzeiten habe und aufgrund der regelmäßigen Kurzerkrankungen der letzten Jahre auch zukünftige Fehlzeiten zu erwarten seien. Eine negative Prognose liege daher vor. Dass die Ausfälle auf unterschiedlichen Krankheiten beruhten, sei unerheblich. Auch sei aufgrund der hohen Kosten der Entgeltfortzahlung das wirtschaftliche Interesse des A erheblich beeinträchtigt. Die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung seien soweit gegeben.
B habe jedoch versäumt, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Aus diesem Grund sei die Kündigung unwirksam.
Oftmals muss der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer erst abmahnen, um ihn entlassen zu können. Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu überdenken.
Dies gilt aber nur bei verhaltensbedingten Kündigungen. Da die Krankheit aber nichts mit dem Verhalten des Arbeitnehmers zu tun hat und dieser die Krankheit auch nicht beeinflussen kann, muss der Arbeitnehmer auch nicht erst abgemahnt werden.
Liegen die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung vor, kann der Arbeitnehmer daher auch ohne Abmahnung entlassen werden.
Grundsätzlich werden Kündigungen „ordentlich“ mit einer Kündigungsfrist ausgesprochen (§ 622 BGB). Daneben gibt es aber auch fristlose „außerordentliche“ Kündigungen.
Eine fristlose krankheitsbedingte Kündigung ist nicht möglich. Es kommt allenfalls ein Sonderfall der außerordentlichen Kündigung in Betracht, die ausnahmsweise nicht fristlos ist:
Auch in diesen Fällen darf der Arbeitnehmer jedoch grundsätzlich nicht sofort vor die Tür gesetzt werden. Ihm ist zumindest eine Auslauffrist zu gewähren, da er nicht schlechter stehen soll als ein ordentlich gekündigter Arbeitnehmer. Sie hat üblicherweise die in § 622 BGB genannte Länge. Eine fristlose Kündigung wäre aber dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer die Krankheit nur vortäuscht oder Atteste fälscht.
Der Arbeitnehmer fällt erst dann unter das Kündigungsschutzgesetz, wenn er länger als sechs Monate für seinen Arbeitgeber gearbeitet hat.
Heißt: In der Probezeit braucht der Arbeitnehmer keinen Kündigungsgrund. Er kann den Arbeitnehmer daher bei einer Erkrankung nach eigenem Belieben entlassen und muss nicht etwa eine negative Prognose darlegen.
Verboten sind aber auch hier sittenwidrige Kündigungen. Eine solche liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitnehmer nicht wegen seiner Krankheit, sondern etwa zu Diskriminierungszwecken gekündigt wird.
Kleinbetriebe, in denen nicht mehr als 10 Arbeitnehmer arbeiten, fallen nicht unter das Kündigungsschutzgesetz. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden zählen dabei als 0,5 Arbeitnehmer. Arbeitet der Teilzeitbeschäftigte nicht mehr als 30 Stunden wird er als 0,75 Arbeitnehmer gezählt. Zur Berechnung folgendes Beispiel:
Im Betrieb des A arbeiten 5 Arbeitnehmer Vollzeit, 8 Arbeitnehmer mit 20 Stunden und 2 mit 30 Stunden. Fällt der Betrieb unter das Kündigungsschutzgesetz?
Die fünf Vollzeit-Arbeitnehmer zählen voll. Die 8 Arbeitnehmer mit 20 Stunden als 0,5 und die 2 mit 30 Stunden als 0,75. Daher arbeiten im Betrieb des A: 5 + 4 + 1,5 = 10,5 Arbeitnehmer und damit mehr als 10 Arbeitnehmer. Der Betrieb des A fällt daher unter das Kündigungsschutzgesetz.
Der Arbeitgeber braucht in Kleinbetrieben keinen Kündigungsgrund und kann einen Arbeitnehmer auch schon dann wegen seiner Krankheit entlassen, wenn obige Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Auch in Kleinbetrieben sind aber sittenwidrige und willkürliche Kündigungen verboten.
Häufig wird angenommen, dass Arbeitnehmer nach einer Kündigung immer eine Abfindung erhalten. Das stimmt so nicht. Ein echter Abfindungsanspruch besteht nur in wenigen Fällen.
Dennoch: In der Praxis zahlt der Arbeitgeber in vielen Fällen eine Abfindung. Das gilt gerade auch nach einer krankheitsbedingten Kündigung.
Klagt der Arbeitnehmer gegen seine Kündigung, tritt der Arbeitgeber mit ihm vor Gericht meist in Verhandlung. So soll erreicht werden, dass der Arbeitnehmer seine Klage fallen lässt. Im Gegenzug erhält er eine Abfindung.
Wie hoch sie ausfällt, ist Verhandlungssache. Ganz entscheidend kommt es darauf an, welche Chancen der Arbeitgeber im weiteren Kündigungsprozess hätte.
Als erste Ausgangsformel hat sich durchgesetzt:
0,5 Bruttomonatsgehälter x Anzahl der Beschäftigungsjahre
Die Abfindungshöhe kann auch deutlich darüber liegen.
Eine Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers unterliegt also hohen Anforderungen. Eine Klage gegen die Kündigung ist daher oft erfolgsversprechend.
Möchte sich der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung wehren, ist Eile geboten. Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht erhoben werden, andernfalls gilt die Kündigung als wirksam. Der Arbeitsplatz ist dann unwiederbringlich verloren.
Achtung: Dies gilt auch in Kleinbetrieben und in der Probezeit, sowie bei Klagen gegen außerordentliche Kündigungen!
Bei Fragen rund um das Thema Kündigung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.