Die schwere Alkoholsucht eines Arbeitnehmers kann Grund für eine wirksame Kündigung sein. Die Voraussetzungen dafür liegen allerdings hoch.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hatte kürzlich über einen solchen Fall zu entscheiden. In seinem Urteil vom 24. Juli 2019 erklärte das Gericht die außerordentliche Kündigung wegen der Alkoholsucht einer Arbeitnehmerin für wirksam.
Table of ContentsWenn der Alkoholkonsum eines Arbeitnehmers zum Grund für eine Kündigung wird, müssen zwei Situationen unterschieden werden: Fällt das Verhalten des Arbeitnehmers unter den Begriff des Alkoholmissbrauchs oder liegt eine Alkoholsucht vor?
Ist keine Sucht anzunehmen, sondern nur ein Alkoholmissbrauch, ist die Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung zu behandeln. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber nur kündigen, wenn der Konsum Auswirkungen auf die Arbeit hat. Wichtig ist außerdem, dass der Arbeitgeber vor der Kündigung eine Abmahnung aussprechen muss.
Strenger sind die Maßstäbe bei einer Alkoholsucht. Der süchtige Arbeitnehmer gilt als krank, weshalb die Maßstäbe der Kündigung wegen Krankheit anzuwenden sind. Zunächst liegt es am Arbeitgeber, zu beweisen, dass der Arbeitnehmer unter einer Sucht leidet. Außerdem ist für eine wirksame Kündigung in der Regel erforderlich, dass der Arbeitnehmer vorher erfolglos Alkoholtherapien besucht hat. Der Arbeitgeber kann außerdem auch bei einer Alkoholsucht nicht einfach kündigen, wenn die Sucht die Arbeit nicht beeinträchtigt.
Die Arbeitnehmerin in diesem Fall ist bei einer Gewerkschaft in der Verwaltung angestellt. Sie leidet seit mehreren Jahren unter einer Alkoholsucht. Sie ist einer schwerbehinderten Person gleichgestellt. Über einen Zeitraum von ungefähr 4 Jahren fehlte sie krankheitsbedingt durchschnittlich 236 Tage pro Jahr. Alle Entwöhnungsversuche der Arbeitnehmerin scheiterten und sie erschien nicht zu Terminen der betrieblichen Suchthilfe. Wegen ihres Alkoholmissbrauchs wurde die Arbeitnehmerin 16 Mal stationär im Krankenhaus behandelt. Kurz vor der Kündigung wurde sie erneut von ihrem Sohn in eine Klinik eingeliefert.
Die Arbeitgeberin kündigte nach zweimaliger Abmahnung und mit Zustimmung des Integrationsamtes. Weil eine ordentliche Kündigung durch Regelungen im Arbeitsvertrag und Tarifvertrag ausgeschlossen war, wurde eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsverhältnis sollte jedoch nicht wie sonst bei der außerordentlichen Kündigung fristlos enden, sondern erst nach Ablauf einer sogenannten sozialen Auslauffrist.
Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage. Zunächst hatte ihre Klage vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Sie scheiterte jedoch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht.
Das LAG wies die Klage der Arbeitnehmerin ab. Es hielt die Kündigung für wirksam.
Die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Alkoholsucht richte sich nach den Kriterien einer Kündigung wegen Krankheit. Dabei sei in drei Schritten zu vorzugehen:
Zunächst liege in diesem Fall eine negative Gesundheitsprognose vor, welche auch in Zukunft erhebliche Fehlzeiten vermuten lasse (1. Stufe). Dieser Schluss folge aus den beträchtlichen Fehlzeiten der letzten Jahre und der negativen Entwicklung der Suchterkrankung. Auch eine erhebliche Störung des Betriebs sei zu erwarten (2. Stufe). Weil die Arbeitnehmerin weniger als 10 % der Arbeitstage arbeitsfähig gewesen sei, könne die Arbeitgeberin sie auch künftig wohl nicht in den Arbeitsablauf einplanen.
Zudem gehe die Interessenabwägung zugunsten der Arbeitgeberin aus (3. Stufe). Auf der Seite der Arbeitnehmerin sei zwar folgendes zu berücksichtigen:
Trotzdem überwiege das Interesse der Arbeitgeberin. Es sei ihr nicht zuzumuten, ein vollkommen sinnentleertes Arbeitsverhältnis fortzuführen. Die Arbeitgeberin habe keine Möglichkeit, von der Anstellung zu profitieren. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmerin bei drei Entwöhnungsversuchen die Gelegenheit bekommen habe, ihre Sucht zu bekämpfen.
Dieser Fall vor dem LAG hat Ausnahmecharakter. Die Kündigung wegen Alkoholsucht ist für den Arbeitgeber mit besonderen Schwierigkeiten verbunden – noch dazu, wenn sie außerordentlich erfolgt. Nur wenn die Umstände aufgrund der beträchtlichen Fehlzeiten und der fehlenden Mitwirkung der Arbeitnehmerin so gravierend sind wie in diesem Fall, hält die Kündigung vor Gericht stand. In allen anderen Fällen lohnt sich meist die Klage.
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Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24.07.2019, Az.: 15 Sa 2498/18.