Beitrag veröffentlicht am 18.06.2019 | Dr. Ahlborn

Kann Verhalten in der Freizeit zur Kündigung führen?

Den Arbeitgeber geht es grundsätzlich nichts an, wie ein Arbeitnehmer seine Freizeit verbringt. Kündigungen, die wegen bestimmten Freizeitverhaltens ausgesprochen werden, sind daher meist unwirksam.

Ein neues Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen bestätigt dies. Geklagt hatte dort der Arbeitnehmer eines Automobilherstellers, der in seinem Urlaub als Teil einer rechtsradikalen Gruppierung in Erscheinung getreten war. Eine deshalb ausgesprochene Kündigung des Arbeitsvertrages hielten die Richter für unwirksam.

Kündigung wegen Freizeitverhaltens – Grundsätzliches

Wegen Fehlverhaltens in der Freizeit kann einem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht gekündigt werden.

Nur, wenn das beanstandete Freizeitverhalten ernsthafte Zweifel an der Eignung oder Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers rechtfertigt, gilt etwas anderes. Ob dies der Fall ist, hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab:

In früheren Gerichtsverfahren wurden Kündigungen wegen außerdienstlicher Straftaten häufig als wirksam bestätigt.

Einige Beispiele:

Wegen seiner politischen Anschauung kann einem Arbeitnehmer in der Regel nicht gekündigt werden. Ausnahmen hierzu gelten etwa in sogenannten Tendenzbetrieben, wozu z. B. Parteien zählen. Auch im öffentlichen Dienst kann es Einschränkungen zur politischen Weltanschauung geben.

“Ausländer raus!”-Rufe auf Mallorca

In dem Verfahren vor dem LAG Niedersachsen hatte ein gekündigter Mitarbeiter der Volkswagen AG geklagt. Ihm wurde vorgeworfen, im Juni 2017 als Teil einer rechtsradikalen Gruppe in Erscheinung getreten zu sein. In einer Diskothek auf Mallorca hatte er eine der Reichskriegsflagge nachempfundende Flagge ausgebreitet und “Ausländer raus!” gerufen. Über diesen Vorfall hatten zahlreiche Medien berichtet.

Aufgrund dieser Vorkommnisse kündigte VW dem Arbeitnehmer fristlos. Hilfsweise wurde eine fristgerechte, personen- und verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen.

Volkswagen argumentierte, dass der Konzern aufgrund des Einsatzes von Zwangsarbeitern in der Zeit des Nationalsozialismus eine besondere Verantwortung trage. Außerdem seien bei VW Menschen aus 114 verschiedenen Nationen beschäftigt. Andere Mitarbeiter von VW seien wegen der Gesinnung des klagenden Arbeitnehmers nicht mehr bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Kündigung wegen Freizeitverhaltens unwirksam

Der klagende Arbeitnehmer bekam vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen weitestgehend Recht. Bei den Vorkommnissen auf Mallorca habe es sich um rein außerdienstliches Verhalten gehandelt. Es seien keine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletzt worden. Weiterhin sei der Volkswagen-Konzern weder ein öffentlicher Arbeitgeber, noch habe er eine politische Tendenz. Deshalb könnten vorliegend keine geringeren Maßstäbe, wie z. B. bei einer Stadtverwaltung gelten. Sowohl die fristlose, als auch die fristgerecht erklärten Kündigungen seien daher unwirksam.

Die von VW außerdem beantragte Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung wegen Unzumutbarkeit der Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer wurde vom Gericht ebenfalls zurückgewiesen. Dem Arbeitnehmer stehe ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu.

Fazit

Mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen wird wieder einmal die strikte Trennung von beruflicher und privater Sphäre bestätigt. Eine Kündigung wegen Freizeitverhaltens bleibt demnach die Ausnahme und ist nur in wenigen Fällen denkbar.

Bei Fragen rund um das Thema Kündigung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 21. März 2019, Aktenzeichen: 13 Sa 371/18

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Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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