Täuschen Sie Ihren Arbeitgeber über Ihre Arbeitszeit, drohen weitreichende Folgen. Unter Umständen riskieren Sie eine Abmahnung oder gar Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs. Wie können Arbeitnehmer sich verteidigen?
1. Was ist ein Arbeitszeitbetrug?
2. Mögliche Folgen eines Arbeitszeitbetrugs
3. Gibt es nach einer Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug eine Abfindung?
4. Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug erhalten – was nun zu tun ist
5. Fazit
Es liegt meist in der Verantwortung des einzelnen Arbeitnehmers, dass er so lange arbeitet, wie der Arbeitsvertrag es vorschreibt. Täuschen Sie Ihren Arbeitgeber über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, begehen Sie grundsätzlich einen Arbeitszeitbetrug.
Beispiele:
In allen Beispielsfällen erhält der Arbeitnehmer eine Vergütung, ohne die geschuldete Leistung dafür erbracht zu haben. Der Arbeitgeber hingegen geht irrtümlich von geleisteter Arbeit des Arbeitnehmers aus.
Auch in modernen Arbeitszeitsystemen ist ein Arbeitszeitbetrug möglich:
Nicht jede Unterbrechung der Arbeitszeit führt jedoch zu einem Arbeitszeitbetrug.
Trifft einer dieser Ausschlussgründe auf Ihren Fall zu, sind Sie nicht gleich vor jeglichen Sanktionen gefeit. In einigen Fällen haben Sie einen Arbeitszeitverstoß begangen, der ebenfalls eine Abmahnung oder Kündigung nach sich ziehen kann. Allerdings wird dieser meist weniger streng geahndet als ein Arbeitszeitbetrug (mehr Abmahnung notwendig, in aller Regel keine fristlose Kündigung etc.).
Behauptet der Arbeitgeber einen Arbeitszeitbetrug, stehen unangenehme Folgen im Raum. Dies können sein:
Die Abmahnung stellt das mildeste rechtliche Mittel dar, um einem Arbeitszeitbetrug zu begegnen. Sie soll Ihnen Ihr Fehlverhalten vor Augen führen und Sie gleichzeitig vor den Konsequenzen weiterer Verstöße warnen. Zur Abmahnung werden Arbeitgeber regelmäßig nur greifen, wenn sie den Verstoß als geringfügig ansehen.
Beispiel: Der Arbeitnehmer shoppte letzte Woche während der Arbeitszeit in einem Onlineshop. Auf einen Hinweis eines anderen Arbeitnehmers hin bemerkt der Abteilungsleiter bei der Durchsicht der Webseitenprotokolle den „Einkaufsbummel“. Der Abteilungsleiter spricht ggü. dem sonst zuverlässigen Arbeitnehmer eine Abmahnung aus (Hinweis: Die Auswertung des Browserverlaufs ist nicht ohne Weiteres zulässig).
Handelt es sich um einen „leichten bis mittleren“ Verstoß und möchte sich der Arbeitgeber deswegen von Ihnen trennen, kommt eine ordentliche Kündigung in Betracht. Das Arbeitsverhältnis endet dann nicht von einem Tag auf den anderen, sondern nach Ablauf der Kündigungsfrist.
Nicht jeder Arbeitszeitbetrug berechtigt gleich zur verhaltensbedingten, ordentlichen Kündigung. Oft ist notwendig, dass Sie zuvor wegen einer ähnlichen Pflichtverletzung abgemahnt wurden. Es genügt auch nicht, dass irgendeine Abmahnung vorliegt. Vielmehr muss die Abmahnung wegen eines gleichartigen Verstoßes ausgesprochen worden sein (anzunehmen z.B. bei zwei Verstößen im Zusammenhang mit der Arbeitszeit; nicht anzunehmen bei Abmahnung wegen Beleidigung und Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug).
Die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers kommt als Reaktion des Arbeitgebers auf gravierende Arbeitszeitverstöße in Betracht. Das Arbeitsverhältnis endet dann von einem Tag auf den anderen.
Die fristlose Kündigung ist das schärfste Schwert, das der Arbeitgeber zur Hand hat. Sie kommt in Betracht, wenn dem Arbeitgeber nicht einmal die Weiterbeschäftigung bis zur Kündigungsfrist zumutbar ist. Im Falle eines Arbeitszeitbetrugs nehmen die Gerichte dies vergleichsweise schnell an. Dennoch: Notwendig ist eine umfassende Interessenabwägung. Dabei sind nicht nur der Verstoß zu berücksichtigen, sondern auch soziale Aspekte wie Unterhaltspflichten, Dauer der Betriebszugehörigkeit und das bisherige Verhalten.
Beispiel: Der im Jahr 1967 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Arbeitnehmer ist seit September fast zehn Jahren beim Nationaltheater einer Stadt tätig. Dort war er Abteilungsleiter der Fahr- und Sonderdienste. Seine Arbeitszeit betrug 44,4 Stunden. Er leistete Überstunden, die vergütet wurden. Zu diesem Zwecke legte der Angestellte über einen langen Zeitraum immer wieder ausgefüllte Überstundenformulare vor, die vom Vorgesetzten abgezeichnet waren. Es stellte sich heraus, dass diese Formulare überwiegend falsch ausgefüllt waren. Denn der Angestellte schrieb jeweils pro Monat sieben Stunden mehr auf, als er tatsächlich gearbeitet hatte.
Das Bundesarbeitsgericht entschied in diesem Fall nach einer umfassenden Interessenabwägung, dass die fristlose Kündigung rechtmäßig war.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2018, Aktenzeichen 2 AZR 370/18
Arbeitnehmer sollten ein Weiteres wissen: Der Arbeitgeber hat ab Kenntnisnahme nur zwei Wochen Zeit, um fristlos zu kündigen. Erfährt er von dem Arbeitszeitbetrug und wartet länger als zwei Wochen, kommt allenfalls noch eine fristgerechte ordentliche Kündigung in Betracht.
Läuft es besonders schlecht für Sie, schaltet der Arbeitgeber die Staatsanwaltschaft ein. Diese wird dann wegen des Arbeitszeitbetrugs ermitteln und im äußersten Fall Anklage erheben. Dann droht eine Geld- oder Haftstrafe.
Zu diesen strafrechtlichen Konsequenzen wird es allerdings nur in besonders gravierenden Fällen kommen. Wenn die Staatsanwaltschaft überhaupt informiert wird, lässt sich oft auf die Einstellung des Verfahrens hinwirken.
Das Gesetz sieht nicht vor, dass Sie eine Abfindung erhalten. Allerdings zeigt die Praxis, dass Arbeitgeber dennoch in vielen Fällen zu einer Zahlung bereit sind. Dies lässt sich erreichen, indem Sie vor Gericht oder außergerichtlich mit dem Arbeitgeber in Verhandlung treten. Oft ist der Arbeitgeber daran interessiert, das Kündigungsschutzverfahren so schnell wie möglich zu beenden. So spart er Kosten und geht sicher, dass er Sie nicht doch wieder einstellen muss. Daher bieten Sie an, Ihre Klage zurückzuziehen, sofern Sie eine attraktive Abfindung erhalten.
Wie hoch der Betrag ausfällt und ob der Arbeitgeber überhaupt zur Zahlung bereit ist, hängt vom Einzelfall ab. Kann Ihr Arbeitgeber den Vorwurf nur schwer beweisen oder äußert das Gericht Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung, haben Sie Chancen auf einen hohen Betrag.
Sofern Sie eine Kündigung wegen eines Arbeitszeitbetrugs erhalten haben, können Sie sich mit einer sog. Kündigungsschutzklage gerichtlichen verteidigen. Aber beachten Sie! Sie müssen die Klage innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung erheben.
Wir haben zahlreiche Verfahren dieser Art geführt und setzen unsere langjährige Erfahrung gerne vor Gericht für Sie ein. Je nach Ihrer Zielsetzung wirken wir auf den Erhalt Ihrer Stelle oder die Auszahlung einer möglichst hohen Abfindung hin. Kommen Sie bitte so zeitnah wie möglich auf uns zu, damit wir Ihre Klage bestmöglich vorbereiten können.
Außerdem sollten Sie sich unverzüglich bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend und arbeitslos melden. So stellen Sie sicher, dass Sie im Falle des Falls vom ersten Tag an Arbeitslosengeld erhalten.
Bei Fragen rund um das Thema Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.