Beitrag veröffentlicht am 22.07.2019 | Dr. Ahlborn

Verdacht auf Unterschlagung: Darf der Chef kündigen?

Wird ein Mitarbeiter von seinem Arbeitgeber verdächtigt, im Betrieb etwas unterschlagen zu haben, ist schnell das Vertrauen beeinträchtigt. Während der Betroffene im Strafrecht bis zur Verurteilung  als unschuldig gilt, kann der Arbeitgeber mitunter schon vorher zur Kündigung greifen.

Die Voraussetzungen an eine sog. Verdachtskündigung liegen allerdings hoch. In vielen Fällen lohnt es sich für Arbeitnehmer, gegen sie vorzugehen.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hatte kürzlich über eine Kündigung wegen des Verdachts der Unterschlagung zu entscheiden.

Die hohen Voraussetzungen einer Verdachtskündigung

Wie erwähnt kann es arbeitsrechtlich ausreichend sein, einen dringenden Tatverdacht gegen einen Mitarbeiter zu haben, um ihm zu kündigen. Dies liegt unter anderem daran, dass schon der dringende Verdacht eines erheblichen Fehlverhaltens das innerbetriebliche Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber so sehr beschädigen kann, dass eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist.

Damit eine Verdachtskündigung wirksam sein kann, müssen die folgenden Voraussetzungen allesamt erfüllt werden:

Arbeitgeber verdächtigte Mitarbeiter der Unterschlagung eines 100 €-Scheins

In dem vor dem LAG Düsseldorf geführten Verfahren verdächtigte die Arbeitgeberin, das Land NRW, einen Arbeitnehmer der Unterschlagung eines 100 €-Scheins. Der Arbeitnehmer hatte seit 1987 beim Land NRW gearbeitet und war zuletzt als Pförtner einer Polizeidienststelle eingesetzt worden. Laut Aussage einer Frau hatte diese im Dezember 2017 einen von ihr gefundenen 100 €-Schein bei dem Pförtner abgegeben. Da der Pförtner sie nicht nach ihrem Namen oder dem Fundort des Scheins gefragt hatte und ihr dies seltsam vorkam, schrieb sie am gleichen Tag noch eine E-Mail an die Polizeidienststelle. Sodann ergaben Recherchen der Polizei, dass der 100 €-Schein weder in der Asservatenkammer der Dienststelle noch im Computersystem der Polizei aufzufinden war.

Anschließend wurde ein Strafverfahren gegen den Pförtner wegen des Verdachts der Unterschlagung des Scheins eingeleitet. Die Arbeitgeberin hörte den Mitarbeiter zu den Vorwürfen an, dieser bestritt die Tat. Vielmehr habe er die Frau samt Geldschein zur zuständigen Stelle weitergeleitet. Trotz dieser Äußerungen des Pförtners kündigte das Land NRW dem Pförtner wegen des dringenden Tatverdachts der Unterschlagung anschließend fristlos.

Hiergegen reichte der Pförtner Kündigungsschutzklage ein. Diese blieb auch in zweiter Instanz ohne Erfolg.

LAG Düsseldorf: Verdachtskündigung ist wirksam

Das Landesarbeitsgericht bejahte die Wirksamkeit der ausgesprochenen Verdachtskündigung. Es liege der auf Tatsachen basierende dringende Verdacht einer Unterschlagung vor, da die Darstellungen der Finderin plausibel gewesen seien. Diese hätte ansonsten auch keinen Grund gehabt, sich zusätzlich per E-Mail an die Polizeidienststelle zu wenden und von ihren Erfahrungen mit dem Pförtner zu berichten. Obwohl der Pförtner zuvor 30 Jahre beim Land NRW beschäftigt worden war, rechtfertige dieser Verdacht die fristlose Verdachtskündigung.

Fazit

Der Fall zeigt, dass mitunter schon der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung zur Kündigung führen kann. Deutlich wird allerdings auch, dass die Wirksamkeit der Verdachtskündigung im hohen Maße abhängig ist von den Umständen des Einzelfalls. Im hier beschriebenen Fall wäre die Entscheidung ohne die detaillierte Darstellung der Finderin des Scheins ganz anders ausgegangen. Häufig verkennen Arbeitgeber auch die formalen Kritieren einer Verdachtskündigung, wie zum Beispiel die Anhörung des Betroffenen. Daher lohnt es sich in den meisten Fällen, gegen eine Verdachtskündigung per Kündigungsschutzklage vorzugehen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil v. 28.06.2019, Az. 6 Sa 994/18

Bei Fragen rund um das Thema (Verdachts-)Kündigung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.


Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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